Sonntag, 1. März 2015

Wohlfarths Schokoladen

An diesem Freitag hatte ich das Vergnügen, Christoph Wohlfarth, den Geschäftsführer und leidenschaftlichen Chocolatier der Schokoladenmanufaktur Wohlfarths Schokoladen, zu einem Gespräch zu treffen. Dazu besuchte ich ihn in seinem kleinen, aber feinen Laden in der Choriner Straße 37 im Prenzlauer Berg. Sehr ausführlich und herzlich erzählte er mir von den Hintergründen für beispielsweise die recht individuelle Bezeichnung der Schokoladen, von seinen Plänen und Ideen für die Zukunft, bei denen das Jahr 2017 eine besondere Rolle spielt, und von der Herkunft seines Kakaos. Unser Gespräch ist zugegeben etwas lang geworden, daher findet Ihr, falls Ihr euch genauer rein lesen wollte, das vollständige Interview hier separat und das Folgende ist der zusammenfassende Beitrag über meinen Besuch und meine Eindrücke.


Meine Eindrücke

Wohlfarths Schokoladen mit Schälchen zum Probieren
Der Schokoladenladen erinnert eigentlich mehr an ein Atelier, zuerst war ich wirklich erstaunt, wie klein alles ist. Umso mehr wunderte ich mich im Folgenden, dass wirklich alles auf so kleinem Raum unterkommt. Auf der rechten Seite finden sich alle in der Manufaktur hergestellten Produkte, wie auf dem Foto links zu sehen, mit Schälchen zum fröhlichen Durchprobieren. Dabei ist Christoph Wohlfarth gerne bereit, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, Konzepte zu erklären und bei der Auswahl zu helfen. Es gibt reine Schokoladen, dazu die zwei "Markenzeichen" von Wohlfarths Schokoladen, die Schoko-Schallplatten und die Salzstäbchen, schokolierte Gummibärchen, Schokonibs und Kakaobohnen in jedem Verarbeitungsstadium.
Schokoladennibs aus Ecuador, rohe und geröstete Bohnen
Auf der linken Seite geht´s recht bald nicht weiter, denn man blickt auf eine Wand aus Glas. Diese gewährt Einblick in das eigentliche schokoladige Herzstück, die Manufaktur. Als ich zu Besuch bin, werden gerade die Schokohasen produziert, denen extra per Kompressor aus der Form geholfen wird, damit die empfindlichen Hasenohren nicht abbrechen. Vor der Glaswand stehen die fremden Schokoladen in Reih´ und Glied, diese sollen aber immer weniger werden, man wolle im Endeffekt darauf hinaus, in Zukunft nur noch eigene Schokoladen zu verkaufen, erklärt mir Christoph.
Blick auf die "fremden" Schokoladen und die Manufaktur
Ich bekomme eine Kostprobe der tatsächlichen Funktionsfähigkeit der berühmten Schallplatten, wobei mir Christoph versichert, dass der Plattenspieler dabei keinen Schaden nimmt, außerdem verköstigen wir Kakao in unterschiedlichen Stadien, von der rohen Bohne mit Fruchtfleisch über die rohe hin zur gerösteten Bohne. Die Bohnen seien fast schon Medizin, erfahre ich, weswegen ja auch früher Kakao in der Apotheke verkauft wurde. Beim Rösten gehen die meisten positiven Inhaltsstoffe leider flöten. Wir probieren uns durch und tatsächlich schmecken die ganz rohen Bohnen absolut nicht nach Kakao, sie sind bitter und fast schon salzig, wie ein Snack bei alkoholischen Getränken. Bei den getrockneten Bohnen steigt die Ähnlichkeit zum bekannten Geschmack schon mal, hier muss man allerdings die Schale vorm Essen abmachen, anders als bei den selbst gerösteten Bohnen, die man komplett essen kann.
Das sind die rohen Bohnen mit Fruchtfleisch, die Schale wird mitgegessen
Zum Schluss erhalte ich eine kleine Führung in die Welt der Manufaktur, in der noch mit der Hand hergestellt und verpackt wird. Erstaunlich, wie wenig Gerätschaften und Platz eigentlich notwendig sind, um so einen Betrieb am Laufen zu halten! Dabei gebe es aber in der Sommersaison erhebliche Flauten, sodass auch die zwei fest Angestellten nur halbtags beschäftigt seien. Normalerweise sei die Produktion immer zu 14.00 Uhr beendet, wenn der Laden öffne, er selbst habe sich aus der Produktion inzwischen weitestgehend zurückgezogen, das entwickle sich im Laufe der nunmehr 5 Jahre Selbstständigkeit eben.


Das Interview

Lieber Christoph, erst einmal vielen Dank für die Einladung!
Du sagst, es hat etwas Besonderes auf sich mit der Bezeichnung der Schokoladen?
- Ja genau, es handelt sich dabei um Jahreszahlen, ich habe mir eben überlegt, was kannst du machen, es gibt ja eigentlich schon alles, einige Hersteller haben auch schon die Zahlen des Kakaogehaltes vorne involviert. Das war dann auch meine Idee, das aufzugreifen, nämlich eine Jahreszahl, bei der du hinten den Kakaogehalt erkennen kannst, zum Beispiel bei der "1847", eine 47%-ige Milchschokolade, bis hin zur "1492", das ist 92%-ige Schokolade. Zu den Jahren selber gibt es auch etwas zu sagen, am spannendsten ist sicher "1847", das Datum, seit dem es Schokolade in der Form gibt, in der wir sie heute kennen (das heißt, als Tafeln, Anm.). Eigentlich gibt es Schokolade ja schon seit über 3000 Jahren, die Azteken sind ja so die ersten, bei denen sie erwähnt wurde, bis 1850/47 ungefähr gab es Schokolade aber eben nur in Trinkform, das heißt, die Geschichte der Schokolade ist uralt, aber die Geschichte der Tafelschokolade ist noch sehr, sehr jung. Und das kann man ja als Anlass nehmen, einer Schokolade diesen Namen zu geben. 1978 ist relativ schnell erklärt, das ist ein super Jahrgang, da bin ich geboren (lacht). Und 2081 habe ich gewählt, weil zwei Dinge zusammenkommen: eine dunkle Schokolade und eine Milchschokolade, die eine 81-prozentige Milchschokolade ergeben. Es gibt ja eigentlich immer die zwei Lager, die einen mögen nur dunkle, die anderen nur helle Schokolade und in dieser Schokolade ist beides vereint, deswegen ist sie die "Schokolade der Zukunft" für mich, daher "2081". "1492" ist ja sehr geschichtsträchtig, das Jahr, in dem Amerika entdeckt wurde, Christoph Columbus war ja derjenige, er selbst hat zwar mit dem Kakao nichts anzufangen gewusst, das war erst ein paar Jahre später Hérnan Cortés, der den Wert des Kakaos erkannt hat, aber für mich hat Christoph Columbus den Weg geebnet, dass kurze Zeit später der Kakao nach Europa kommen konnte und seinen Siegeszug hier fortgesetzt hat, das kann man auch als Anlass nehmen, dieses Datum in einer Tafel zu verewigen. 
Und dann gibt es eben noch die dritte Ebene, das ist die Ebene, auf der wir etwas zum Kakao sagen können. Das steht noch nicht drauf, ich möchte meine Tafeln noch in eine Schachtel stecken, mal sehen, ob ich das dieses Jahr schaffe, das ist ja auch immer eine Kosten- und eine Zeitfrage. Aber wenn wir das machen, dann werden wir eben auch noch Angaben dazu machen, wo der Kakao herkommt, weil das gerade bei den Tafeln durchaus wichtig ist, dass du einen charakterstarken Kakao hast. Unsere normale Mischung besteht aus Kakao, der aus Peru stammt, einer Mischung aus Criollo und Trinitario; die Criollo als edelste Bohne ist zwar auch ein bisschen mit drin, auch wenn er für mich jetzt nicht der wichtigste ist, weil er sehr feingliedrig im Geschmack ist, also gar nicht so intensiv, da finde ich den Trinitario oder den Arriba Nacional oder eben eine Mischung spannender.
Bei der "1978" haben wir Criollo, Trinitario und Arriba Nacional und ein bisschen rohe Schokolade, das wechselt auch mal, bei der "2081" Criollo und Trinitario, das besondere ist, dass wir dabei mit einer 100%-igen arbeiten und Milchschokolade hinzugeben, bis wir von 100% auf 81% kommen. 
Die "1492" ist eine ganz spannende Schokolade, wir nehmen als Ausgangsposition unsere 70%-ige, nehmen dann die Nibs aus Madagaskar, auch eine Trinitario-Mischung, vermahlen sie ganz grob, geben sie in die 70%-ige, sodass wir schließlich von 70 auf 92 Prozent kommen, und die ist eben nicht so intensiv und extrem wie eine normale 92%-ige, sondern am Anfang wie eine 70%, also fast süß, und dann fängt es langsam an, dass man diese kleinen Stückchen auch schmeckt, sie wird immer intensiver und nach hinten raus ist sie am kräftigsten.

Deine Verpackungen sehen nach Plastik aus, aber das sind sie gar nicht?! 
- Das ist mir sehr wichtig, dass wir bei den Verpackungen auf Kunststoff verzichten, auch das ist eine Information, die auf der neuen Verpackung dann ein bisschen deutlicher rüberkommen wird, wir arbeiten mit FSC-zertifiziertem oder recyceltem Papier und Zellglas (außer bei den Schallplatten, Anm.)
Warum wollen wir die Tafeln jetzt doch in Schachteln verpacken? Zum einen hat das Zellglas Nachteile, zum Beispiel, dass es nicht aromaversiegelt, sondern ein bisschen durchlässig ist, das ist nicht optimal. Wenn sie (die Tafeln, Anm.) ein bisschen liegen, nachdem sie produziert sind, lassen sie schon ein bisschen nach. Zum anderen müssen wir uns eben auch im Wettbewerb behaupten; in meinem Laden funktioniert das sehr gut, oder eben auch in ein, zwei Weinläden, aber wenn du in einen Schokoladenladen rein kommst, wo eben Schokoladen aus aller Welt verkauft werden, da haben es unsere relativ schwer, weil sie halt nicht so sexy aussehen und dieser gewisse Charme macht es halt nicht wett, da greift man schon eher zur hübschen Schachtel.

Wo kommt denn die Schokolade eigentlich her?
- 2017 ist mein Ziel, alles von der Bohne an selber zu machen. Bis dahin ist es unser Job, die Kuvertüren, die wir kaufen, so zu mischen, wie wir das haben wollen. Was uns immer wichtig ist, es muss immer Bio als Mindeststandard haben. Das ist bei uns nichts Besonderes, sondern ganz selbstverständlich. Fairtrade haben wir in Teilen, da arbeiten wir noch dran, da wird es auch einen Übergang geben bis 2017, ab da werden wir versuchen, dass wir es selbst importieren, sodass man eben über Fairtrade-Standard bezahlen kann. Um jetzt aber auf den Punkt zu kommen: Wir arbeiten mit ein bis zwei Firmen (Lubeca, Pacari und Zotter, Anm.) zusammen, der Kakao kommt aus Peru, aus Ecuador und Nicaragua. Die Firmen, mit denen wir zusammen arbeiten, unterstützen die Produktion vor Ort, sie helfen mit Know-How und lassen ihre Gewinne in Vereine statt in Aktien fließen, sie sagen zu, gewisse Mengen abzunehmen, von alten Sorten. Es gibt ja das Problem mit der gezüchteten Sorte CCN, das ist gerade in Peru, vor allem in Ecuador ein Problem, ein hochgezüchtetes Ding, Kakao, der einen größeren Ertrag hat, der aber geschmacklich jetzt nicht so besonders ist, es geht wieder um große Mengen...
Eine meiner Lieblingsfirmen ist Pacari aus Ecuador, weil sie eben als einzige weltweit demeter-zertifizierten Kakao haben. Sie haben auch einfach einen sehr einzigartigen Kakao, ähnlich wie Domori, der ist zwar geschmacklich ganz anders, aber Pacari hat eben auch einen sehr sehr eigenen Geschmack und auch gerade bei den rohen Schokoladen finde ich die ganz toll. Und bei ihnen gibt es vor allem auch 100%-ige und eine 70%-ige, die 70% ist auch die rohe, die ich manchmal verarbeite, aber das sind wirklich kleine Mengen.
Und jetzt seit letztem Jahr, das ist schon so der erste kleine Schritt in Richtung „von der Bohne an alles selber machen“, nehmen wir an einem Projekt teil, da kommt der Kakao aus Ecuador, und zwar sind das zwei Franzosen, Bouga-Kakao, die haben es sich zur Aufgabe gemacht, ein paar kooperative Kakaobauern um sich herum zu scharen, die quasi den Kakao liefern. Bouga-Kakao gehen vorher nach Europa, vornehmlich Deutschland, Österreich,Schweiz, damit sie ein paar Chocolatiers und Verarbeiter finden, die dann eine feste Zusage machen über Produkte und Abnahmemenge. Dann können sie den Kakaobauern sagen, die und die Mengen nehmen wir fest ab, die können sich darauf verlassen, Buga-Kakao sorgt dafür, dass es bio- und fair-zertifiziert wird, das heißt, die Kosten, die für die Zertifizierung entstehen, die ja nicht unerheblich sind, müssen nicht die Bauern übernehmen, wodurch der Kakao über-fair-Standard bezahlt wird, weil wenn du es selbst anmeldest, hast du ja selber die Kosten. Und da habe ich im letzten Jahr zum ersten Mal dran teilgenommen, in diesem Jahr zum zweiten Mal, und das hat dann zwei Firmen (Pacari und Zotter, Anm.) ersetzt, sodass ich nur mit zwei Firmen arbeite.

Ausblick

In kurzer Zeit wird Christoph Wohlfarth umziehen. Dann wird die Produktion höchstwahrscheinlich doch ausgelagert und im Laden selbst noch eine "Schau-Manufaktur" zu sehen sein. Daneben gibt es die oben genannten Pläne bis 2017, zu denen ich ihm alles Gute wünsche.
Aus dem Laden habe ich selbst dann noch einige Schokoladen mitgenommen, die in den nächsten Tagen getestet werden, von Wohlfarth, aber auch von Domori und von "Omnom", einer isländischen Marke. Ich habe viel Spannendes erfahren und tolle Einblicke erhalten und bin wirklich froh, diese Möglichkeit erhalten zu haben!

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